Redebeitrag der Kiezversammlung auf der United Neighbours-Demo 2016

10. Mai 2016

Unsere Nachbarschaft gehört uns nicht, obwohl wir darin leben und arbeiten.

Hier ist unser Alltag, mit allen seinen guten und schlechten Seiten. Viele von uns wurden bereits von hier verdrängt, haben ihre vertrauten Orte, ihre Freunde, ihr Zuhause, ihre ökonomische Existenz verloren. Wir wollen uns dagegen wehren, dass so etwas weiterhin passiert. Wir sind Menschen aus nord-Neukölln und den umliegenden Kiezen, und wir organisieren uns selbst in einer Kiezversammlung.

Unsere Kiezversammlung wurde ins Leben gerufen durch die Friedel 54, und ist ein Ort, an dem alle Nachbarn und Nachbarinnen darüber reden, wie sie sich gegenseitig helfen können. Wir sind unabhängig von der Parteipolitik und den zugehörigen Lobbygruppen, weil sie an unseren Problemen mitschuldig sind. Die aktuelle Entwicklung der Stadt ist politisch gewollt, wird gefördert und als positiv für alle dargestellt. Aber wer profitiert davon, wenn so viele Menschen ihr Zuhause verlieren und aus der Innenstadt vertrieben werden, weil sie sich die Mieten nicht mehr leisten können? Warum begrüßen einige Politiker und Politikerinnen in Senat und Bezirken die Veränderungen der Nachbarschaften, welche zur Verdrängung und Vertreibung von Menschen aus ihrer Stadt führen? Wessen Interessen vertreten sie?

Die Parteipolitik interessiert sich nicht für konkrete Menschen, sondern für konkrete Zahlen: Mitglieder, Stimmen, Steuereinnahmen. Verdrängung und Vertreibung betreffen aber konkrete Menschen: Heute noch jemanden, den du nicht kennst, morgen deine Nachbarin und am Ende auch dich selber. Das betrifft uns alle. Und obwohl wir nicht alle in gleicher Weise davon betroffen sind, suchen wir in der Kiezversammlung nach Wegen, wie möglichst alle die Hilfe bekommen, die sie brauchen und verdienen. Unsere Politik besteht aus Solidarität von Menschen für Menschen. Und unsere Solidarität ist politisch: Wir setzen uns ein für ein gemeinsames Leben in Würde, in einer selbstorganisierten und solidarischen Nachbarschaft.

Wir schlagen vor: Bildet Kiezversammlungen! Kommt zusammen mit euren Nachbarn und Nachbarinnen um über eure Probleme und Ängste zu reden! Lernt euch kennen und findet heraus, wie ihr euch gegenseitig helfen könnt! Tauscht Ideen aus und fangt gemeinsam an, sie umzusetzen! Vernetzt euch in eurem Kiez und bleibt zusammen, um ihn zu gestalten! Vernetzt euch mit anderen Kiezen um voneinander zu lernen!

Es ist euer Zuhause – lasst es euch nicht wegnehmen!

Hochtransparent der Kiezversammlung44 auf der Demo: „Bildet Kiezversammlungen!“ auf Deutsch, Arabisch und Türkisch.


Der Redebeitrag wurde gehalten auf der antikapitalistischen Demonstration gegen Rassismus und soziale Ausgrenzung „United Neighbours -Organize!“ am 30.4.2016. im Wedding. Hier gibt es den Aufruf der ausrichtenden Gruppe „Hände Weg Vom Wedding“ zu lesen. Hier sind Fotos von der Demo. Berichte zur Demo gibt es unter folgenden Links:
– Soldiner Kiez Kurier: Demo „Organize. United Neighbours against racism and social exclusion“ – Walpurgisnacht 2016 Berlin Wedding
– Wem gehört Moabit?: Demo im Wedding „United Neighbours – Organize!“ mit über 4.000 Teilnehmer*innen
– Tagesspiegel: „Drei Böller, das war’s denn schon“
– rbb-online: Lagerfeuer und friedliche Demo prägen Walpurgisnacht
– Taz: Friedlich für eine andere Stadt
– berlin.de: Linke Demonstration durch Wedding: Auftakt zum 1. Mai