Eindrücke von der Stadtteil-Tagung am 14.10.17

18. Oktober 2017

Ich kann die Bedenken von einigen Leuten schon verstehen. Zuerst kam da die Ansprache von Bürgermeisterin Giffey, deren wichtigstes Problem im Kiez anscheinend ist, dass es sauber und ordentlich ist und wie gut unser Ordnungsamt aufgestellt ist. Vom Ausverkauf des Kiez und der Verdrängung kein Wort, bis Jana sie lautstark daran erinnert hat. Aber am Ende kam doch wieder das Ordnungsamt…

Danach habe ich dann in der Runde an unserem Tisch einige Fragen hauptsächlich an Herrn Biedermann gestellt. Als Info kurz gefasst die jeweiligen Antworten:

Milieuschutz

Es gab bisher ca 150 Anfragen aus dem gesamten Bezirk für Modernisierungsmaßnahmen. Wenn der Antrag begründet ist, sei das BA verpflichtet die Maßnahmen soweit zu genehmigen wie die ENEV vorschreibt (Energieeinsparungsverordnung). Das ist der Mindeststandard, den sie in dem Fall genehmigen müssen, mehr genehmigen sie aber generell auch nicht. Um zu entscheiden, ob er begründet ist nimmt das BA als Kriterium, ob mindestens 10 Prozent der Fassade erneuert werden muss. Ansonsten genehmigen sie es nicht. Laut Herrn Biedermann haben sie schon mehrere Anträge deshalb abgelehnt.

Sozialer Wohnungsbau

Bei zwei Objekten läuft demnächst die Preisbindung aus, eins davon am Maybachufer. Das BA habe keine rechtliche Handhabe dagegen etwas zu machen. Für Neubau gebe es im Reuterkiez keinen Platz. Beim Neubau am Mariendorfer Damm habe er aber durchgesetzt, dass 25% der Wohnungen Sozialwohnungen werden, obwohl der Investor zunächst darauf bestand, dass er andere Zusagen bekommen habe. Mit bis zu 7,50 Euro netto/kalt müsse man aber trotzdem rechnen.

Meldungen von Baumaßnahmen

Herr Biedermann hat zunächst in seiner Ansprache eindringlich aufgerufen ihm geplante Baumaßnahmen zu melden. Gefragt, ob er der Sache nachgeht, wenn man ihm Gerüste meldet, die man gesehen hat, meint er aber, er kann erst etwas machen, wenn klar wird, dass es sich um Modernisierungsmaßnahmen handelt und nicht um Instandhaltung (wozu der Besitzer ja berechtigt und sogar verpflichtet ist), also wenn z.B. Fenster angeliefert werden. Auf meinen Einwand, dass es dann ja zu spät ist, meinte er, dass sie schon zweimal auch in diesem Stadium Baumaßnahmen unterbunden und die Fenster wieder weggeschickt hätten. Es wurde dazu der Vorschlag gemacht, dass man an die Gerüste Flyer anhängt mit denen man die Leute auffordert dem BA die Details zu melden. Generell solle man aber alles melden, Kontakte siehe unten.

Ersatzräume für die Friedel

Warum er sich bei dem Antrag auf Ersatzräume für die Friedel enthalten hat? Er sagt, es seien generell viele soziale Strukturen im Kiez von der Verdrängung betroffen, z.B. auch Kitas, und er habe keine Begründung gesehen, einen Kiezladen gegenüber den anderen Projekten zu bevorzugen.

Alte Post

Ich habe ihn auch angesprochen auf die Alte Post in der Nähe des Rathaus. Das wäre ja ein sehr gutes Objekt für ein soziales Zentrum gewesen. Die ‚Solidarische Aktion‘ hat dazu ein gutes Flugblatt geschrieben. Dort sollen ja jetzt wohl StartUp-Unternehmen rein, Co-Working und Wohnungen für 14 Euro / qm. Anscheinend haben Frau Giffey und er sich zusammen mit dem Investor deswegen fotografieren lassen. Ja, sie seien auf der Pressekonferenz gewesen. Er hat dann vor allem betont, dass das Gebäude Privatbesitz ist und nie im Besitz des Bezirks war und er dem Investor daher kaum Vorschriften diesbezüglich machen könne. Ansonsten sei es ein Projekt des Bezirksamtes, die Gegend um das Rathaus herum aufzuwerten. Aber ich glaube dass weniger er dahinter steckt als z.B. Frau Giffey mit ihrem sauberen und ordentlichen Bezirk und natürlich diejenigen, die auf die Aufwertung dieses Bezirksteils spekulieren.

Hostel Weserstraße

Es wurde gewürdigt und allgemein begrüßt, dass in dem Fall mit der Räumung und Versiegelung endlich durchgegriffen wurde.

Forderungen an die Bundespolitik

Da es immer heißt, dass das BA immer sehr schnell an seine rechtlichen Grenzen stößt, habe ich ihn gefragt, was denn seiner Meinung nach auf Landes- oder Bundesebene geändert werden müsse, damit es besser wird. Er hat folgende Punkte genannt:
* Die 11% Zuschlag für Modernisierung seien zu hoch und zu starr, es gäbe keinen Anreiz zum Sparen
* Es dürfe nicht sein, dass die Leute wegen Mietschulden so schnell die Wohnung verlieren (und der Bezirk sie dann zum doppelten oder dreifachen Preis irgendwo unterbringen muss)
* Eine Mietpreisbremse, die greift, z.B. Auskunftspflicht über die Vormiete, Verbandsklagerecht etc.
* Die ENEV sei in dieser Form nicht tauglich, Modernisierungen sind oft nicht sinnvoll. Soweit die Info ohne weitere Einordnung.

Wie umgehen mit solchen Veranstaltungen?

Ich muss schon zugeben, dass ich sehr gemischte Gefühle hatte bei der Veranstaltung. Natürlich hat die Verwaltung versucht, sich bürgernah und demokratisch darzustellen. Aber soll man deshalb nicht mit ihnen reden? Immerhin sind ja viele Probleme und Forderungen deutlich angesprochen worden. Und ich glaube auch, dass es schon einige Leute dort gibt, die ihren Job ernst nehmen. Die entscheidende Frage ist, wie man damit umgeht und ob man sich darauf verlässt. Solange man sich bewusst bleibt, dass nur eine starke Mobilisierung und ein starker Druck von unten Veränderungen erreichen kann, finde ich es völlig in Ordnung auch an dieser Front zu arbeiten.

Kontaktadressen

Hier noch die Kontaktadressen, um Baumaßnahmen zu melden:

milieuschutz@bezirksamt-neukoelln.de oder
jochen.biedermann@bezirksamt-neukoelln.de

Und eine Sachbearbeiterin die sich generell um den Milieuschutz kümmert und die man jederzeit zu diesen Fragen ansprechen könne:

Kathrin Burkhardt Bezirksamt Neukölln, Stadtentwicklungsamt, Raum A421
Tel. 030 90239 3511
Email kathrin.burkhardt@bezirksamt-neukoelln.de

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