Archiv des Autors: Redakteur

Scheinbeteiligung! Wer entscheidet über den Hermannplatz?

4. Oktober 2021

In ihrem aktuellen Flugblatt macht die Initiative Hermannplatz auf die Undurchsichtigkeit von Beteiligungsverfahren aufmerksam. Sie sind mehr Schein als sein. Zumeist steht der Ausgang vorab fest und sucht durch ein solches Beteiligungsverfahren Legitimation. Aus dem Flugblatt:

„„Beteiligungsverfahren“, von der Politik in Auftrag gegeben, mit mächtigen wirtschaftlichen Interessen hinter ihnen, sind kaum daran interessiert, die von den Umgestaltungen betroffen Menschen tatsächlich einzubeziehen. Erfahrungen zeigen, dass solche Verfahren, die von beauftragen Agenturen umgesetzt werden, intransparent und nicht ergebnisoffen verlaufen und keine echte Beteiligung ermöglichen. Sie sind nicht wirklich zugänglich für Menschen, die keine Expert*innen, nicht bereits politisch aktiv und in diese Projekte involviert sind. Letztendlich dienen sie nur der Legitimation längst hinter verschlossenen Türen getroffener Entscheidungen.“ mehr lesen

Unterwegs im Kiez: Autobrand am Maybachufer

31. Dezember 2016

In der Nacht zum Samstag, 31.12. bemerke ich auf dem Nachhauseweg, dass am Maybachufer ein Auto brennt. Als ich näher komme, sind schon zwei Streifenwagen vor Ort. Aus sicherer Distanz schieße ich ein paar Fotos.
Hier zwei Pressemitteilungen, die die Morgenpost noch am selben Tag in einem Abstand von einer halben Stunde veröffentlicht: die eine lapidar und faktenbezogen, die andere durch die Erwähnung weiterer Autobrände in der Rigaer Straße einen Abend zuvor schon etwas suggestiver…  Was ist Information, was ist Story?

Die Feuerwehr trifft ein.

Der Brand vor dem Beginn der Löscharbeiten.

Die Flammen werden erstickt.

Nachdem der Brand gelöscht wurde, untersucht die Feuerwehr den Kofferraum des Wagens.

 

 

Von Konstantin

Redebeitrag der Kiezversammlung auf der Mietenstopp-Demo 2016

19. September 2016

Der Kiez – eine Bestandsaufnahme

Niedrige Mieten haben über Jahrzehnte hinweg in verschiedenen Berliner Bezirken gemischte Millieus geschaffen. Einwanderer*innen und ihre Familien, Künstler*innen, Student*innen und Menschen mit geringem Einkommen können hier nebeneinander leben. Ohne Angst vor Übergriffen durch Rechte. Diese Kieze sind bedroht: Die Häuser gehören nicht denen, die sie brauchen. Sie sind als Spekulationsobjekte international bekannt und begehrt. Mit legalen und außergesetzlichen Mitteln wird systematisch die Auflösung alter Verträge angestrebt. So können die Wohnungen zu einem Vielfachen der alten Miete neu vermietet oder als Eigentumswohnungen verkauft werden. Was mit den Altmieter*innen passiert, interessiert die Eigentümer*innen nicht. Und die Politik konzentriert sich lediglich auf eine Pseudo-Vermittlung zwischen den Interessen der Besitzenden und den Bedürfnissen der Benutzenden. Die so entstandenen Werkzeuge die der Verdrängung entgegenwirken sollen, wie der Milieuschutz, sind unvollständig. Und sie werden von den Bezirksverwaltungen nur halbherzig umgesetzt. Dieses Vorgehen zeigt deutlich, wem der Vorzug gegeben wird: Das Interesse der Politik an den Profiten Weniger ist grösser als ihr Interesse an einer guten Gesellschaft für alle.

Unsere Kiezversammlung

Seit Juli 2015 gibt es in Nord-Neukölln eine Kiezversammlung. Sie ist ein Ort, an dem sich Nachbar*innen begegnen und austauschen. Im Plenum erhalten alle die Möglichkeit, über ihre Probleme zu sprechen und gehört zu werden. In der Diskussion suchen wir gemeinsam nach Wegen, die Vereinzelung und Ohnmacht zu durchbrechen. Die Kommunikation ist nicht immer einfach oder konfliktfrei. Es entwickeln sich jedoch Ideen zu gemeinsamen Projekten. Zum Beispiel wie der Kiez – die Nachbarschaft – zusammenkommen und zusammenhalten kann. Denn gegen die Vertreibung aus ihrem Lebensumfeld müssen die Menschen dieses Lebensumfeld selbst organisieren. Die Grundlage hierfür bildet der Wunsch nach einem würdevollen Leben und die Überzeugung, dass Solidarität und Unabhängigkeit unweigerlich dazugehören. Darüber hinaus gilt es das Gemeinsame aller, die sich an der Kiezversammlung beteiligen, zu suchen und zu finden. Dies kann nicht von Wenigen vorweg genommen werden. Die Kiezversammlung ist so gesehen ein laufender und offener Prozess. Die Teilnehmenden suchen, finden und gestalten immer wieder den Rahmen, der unsere Unterschiede aushält. Einen Rahmen, in dem sich die Unterschiede ausdrücken können, ohne uns zu spalten.

Versammlung der Vielfalt?

Der Ausdruck von Unterschieden bei Vermeidung der Spaltung ist wichtig, weil sich in den Berliner Kiezen nicht nur der Widerstand gegen Verdrängung und den Ausverkauf der Stadt artikuliert, sondern auch eine Vielfalt anderer Kämpfe:

  • Antifa-Gruppen halten seit Jahrzehnten Nazis und Rechtspopulist*innen davon ab, in unseren Nachbarschaften Fuss zu fassen.
  • Besetzte Häuser wie die Rigaer 94 und autonome Kiezläden wie die Friedel 54 kämpfen um ihr Überleben als kapitalismuskritische Freiräume.
  • Seit 2012 fordern geflüchtete Menschen elementare gesellschaftliche und politische Rechte ein und haben Plätze (Oranienplatz, Pariser Platz) und Häuser (Gerhard-Hauptmann-Schule, Gürtelstraße ) besetzt.
  • Feministische und LGBTI*-Gruppen formieren sich gegen patriarchale und sexistische Alltagsverhältnisse und gehen gegen christliche Fundamentalist*innen auf die Straße (Marsch für das Leben? What the fuck?).
  • Und die politische Organisierung von Behinderten (AK Mob, Pride Parade) oder Erwerbslosen (Basta-Erwerbsloseninitiative) bildet eigene Formen und Praktiken aus.

Zugleich hat sich im Herbst 2015 gezeigt, dass die Zivilgesellschaft in der Lage ist eigene Strukturen erfolgreich zu unterhalten: Verschiedene selbstorganisierte Hilfsorganisationen (z.B. Friedrichshain-hilft, Moabit-hilft u.v.a.m.) haben die Eskalation der humanitären Krise verhindert, die das Versagen des Staates im Umgang mit den Kriegsflüchtlingen (z.B. am LaGeSo) hervorgebracht hat und immer noch hervorbringt.

All diese Prozesse finden hier, in unserer Stadt, in unseren Kiezen statt. Sie können aus einem Austausch untereinander nur Stärke beziehen. Sie alle sind politisch, und die Kiezversammlung kann ein Forum für ihren gegenseitigen Bezug sein, ein Ort ihrer Begegnung.

=&0=&

Die Mietenstopp-Demo auf der Großbeerenstraße.

=&1=&
Der Redebeitrag wurde auf der Mietenstopp-Demo „Gemeinsam gegen Verdrängung, Ausgrenzung, Armut und den Ausverkauf der Stadt“ am 10.9.2016 in Kreuzberg 61 gehalten. Unter folgendem Link geht es zum Aufruf und den Demoplakaten. Hier finden sich ebenfalls online-Materialien zur Demo. Hier gibt es Fotos. Hier ist eine Auswertung der Demo erschienen. Berichte zur Mietenstopp-Demo gibt es unter folgenden Links:

– mietenstopp.blogsport.de: Mietenstoppdemo – erste Einschätzungen und Bilder
– Berliner Zeitung: Demo gegen Entmietungspraktiken in Kreuzberg
– Taz: Berlins MieterInnen machen Druck
– Neues Deutschland: 1000 fordern Mieten-Stopp

Statement des Graffiti-Künstlers ,Prost‘ zum Gefahrengebiet in der Rigaer Straße.

Derselbe Redebeitrag wurde auf der festlichen Kundgebung in der Rigaer Straße „All colours are beautiful – zusammen leben – zusammen widerstehen“ am 17.9.2016 gehalten. Folgender Link führt zur Kundgebungseinladung. Weitere Links zeigen Impressionen und Videos.

Folgende Links führen zu den Gruppen und Initiativen, die im Redebeitrag erwähnt werden:

– Rigaer 94

– Friedel 54 mehr lesen

Besuch einer Athener Kiezversammlung

3. September 2016

Der folgende Blogbeitrag handelt von einem Besuch bei einer Athener Kiezversammlung im Sommer 2016. Die Kiezversammlung und die Themen, die auf der besuchten Sitzung besprochen wurden, werden vorgestellt. Gegen Ende wird in einem Exkurs die politische Organisierung von Geflüchteten in Athen angerissen. In einem nachfolgenden Beitrag soll daran angeknüpft , und die Schnittstelle zwischen politischer Organisierung und ehrenamtlicher Gemeinarbeit beleuchtet werden.

Im August habe ich in Athen eine lokale Kiezversammlung besucht, das „Offene Plenum der Anwohner*innen von Agia Paraskewi„. Agia Paraskewi ist ein Stadtbezirk im Nordosten der Stadt. Es ist ein relativ ruhiger, nicht besonders armer und mehrheitlich kleinbürgerlicher Bezirk unter Syriza-Regierung. Das heißt aber nicht, dass hier politisch wenig geht: die Nazis wurden trotz des Aufstiegs der Partei „Goldene Morgenröte“ in den Jahren seit Ausbruch der Krise durch eine starke Antifa in Schach gehalten, und sind heute kaum sichtbar. Und als im Mai 2015 in Milano große Proteste gegen die internationale Messe EXPO 2015 stattfanden, zu denen auch in Griechenland mobilisiert wurde, fuhren Aktivist*innen aus diesem Stadtbezirk nach Italien. Fünf von ihnen wurden damals festgenommen, und ein halbes Jahr später verlangte die italienische Regierung ihre Auslieferung, worauf die örtliche Kiezversammlung die Solidaritätskampagne Free5 lancierte, die in ganz Griechenland bekannt wurde. Die Auslieferung hat nicht stattgefunden. (Im verlinkten Artikel ist nur von 4 der 5 die Rede, schlussendlich ist jedoch keine*r ausgeliefert worden.) mehr lesen

Redebeitrag der Kiezversammlung auf der United Neighbours-Demo 2016

10. Mai 2016

Unsere Nachbarschaft gehört uns nicht, obwohl wir darin leben und arbeiten.

Hier ist unser Alltag, mit allen seinen guten und schlechten Seiten. Viele von uns wurden bereits von hier verdrängt, haben ihre vertrauten Orte, ihre Freunde, ihr Zuhause, ihre ökonomische Existenz verloren. Wir wollen uns dagegen wehren, dass so etwas weiterhin passiert. Wir sind Menschen aus nord-Neukölln und den umliegenden Kiezen, und wir organisieren uns selbst in einer Kiezversammlung.

Unsere Kiezversammlung wurde ins Leben gerufen durch die Friedel 54, und ist ein Ort, an dem alle Nachbarn und Nachbarinnen darüber reden, wie sie sich gegenseitig helfen können. Wir sind unabhängig von der Parteipolitik und den zugehörigen Lobbygruppen, weil sie an unseren Problemen mitschuldig sind. Die aktuelle Entwicklung der Stadt ist politisch gewollt, wird gefördert und als positiv für alle dargestellt. Aber wer profitiert davon, wenn so viele Menschen ihr Zuhause verlieren und aus der Innenstadt vertrieben werden, weil sie sich die Mieten nicht mehr leisten können? Warum begrüßen einige Politiker und Politikerinnen in Senat und Bezirken die Veränderungen der Nachbarschaften, welche zur Verdrängung und Vertreibung von Menschen aus ihrer Stadt führen? Wessen Interessen vertreten sie?

Die Parteipolitik interessiert sich nicht für konkrete Menschen, sondern für konkrete Zahlen: Mitglieder, Stimmen, Steuereinnahmen. Verdrängung und Vertreibung betreffen aber konkrete Menschen: Heute noch jemanden, den du nicht kennst, morgen deine Nachbarin und am Ende auch dich selber. Das betrifft uns alle. Und obwohl wir nicht alle in gleicher Weise davon betroffen sind, suchen wir in der Kiezversammlung nach Wegen, wie möglichst alle die Hilfe bekommen, die sie brauchen und verdienen. Unsere Politik besteht aus Solidarität von Menschen für Menschen. Und unsere Solidarität ist politisch: Wir setzen uns ein für ein gemeinsames Leben in Würde, in einer selbstorganisierten und solidarischen Nachbarschaft. mehr lesen