Nicht schon wieder: Keine Wahlkampf-Kampagne auf unserem Rücken! Für ein CDU-Knallkopf-Verbot zu Silvester!

31. Dezember 2023

Sozialarbeit ist nicht alles – wir brauchen ein Ende von Armut und Wohnkrise in Berlin!

Schon wieder ist Wahlkampf in Berlin. Und schon wieder müssen wir zu Silvester eine rechtspopulistische Kampagne zur Inneren Sicherheit ertragen. Was letztes Jahr geklappt hat, soll nun auch 2024 bei der Bundestagswahlwiederholung zum CDU-Wahlerfolg führen. Und schon wieder hat sich die CDU dazu Nord-Neukölln ausgesucht – einen Stadtteil, in dem sie sowieso nicht gewählt wird. Neu ist dieses Jahr, dass explizit gegen unsere palästinensischen Nachbar:innen gehetzt wird. Wir haben diese wiederkehrende Instrumentalisierung unseres Stadtteils und unserer Nachbar:innen satt. Wir wollen endlich Antworten auf die wirklichen Probleme der Wohnungskrise und Verdrängung, statt Ablenkungsmanöver durch rechte Stimmungsmacher:innen.

Es wird wie immer nicht gefragt, was wir in Neukölln wollen und brauchen. Stattdessen dürfen erneut alle möglichen „Expertinnen“ und „Kommentatoren“ bundesweit ihre Projektionen auf unseren Stadtteil werfen und ihn für ihre Interessen instrumentalisieren. Sie beleidigen unsere Nachbar:innen!

Zur Erinnerung: Letztes Jahr hat es zu Silvester nicht nur in Neukölln geknallt, sondern in fast allen Großstädten Deutschlands. Es war das erste „richtige“ Silvester nach den bleiernen Corona-Jahren. Die beteiligten Jugendlichen kamen vor allem aus den ärmeren und (post)migrantischen Teilen der Bevölkerung, in denen sich viel Wut und Frust aufgestaut hat. Es handelt sich also um strukturelle Probleme, die bei weitem nicht nur Berlin  betreffen. Diese strukturellen Dimensionen werden aber kaum anerkannt. Stattdessen wird so getan, als wenn ein spezifisch Neuköllner Problem vorliegen würde, wo doch hier bekanntermaßen eine große arabische und palästinensische Community lebt. Damit sind die Sündenböcke gefunden. Das passt so schön zur derzeitigen migrationsfeindlichen Stimmung in Deutschland. 

Gleichzeitig werden so die strukturellen Probleme unserer kapitalistischen Wirtschaft und Eigentumsverhältnisse verschleiert. Am Ende reagiert die Politik deswegen wahlweise mit der Unterdrückung des Aufruhrs durch Polizeiaufgebote oder mit ein wenig Sozialarbeit. Diese Lösungen adressieren die strukturellen Probleme aber nicht.

Mit anderen Worten heißt das, dass wir die „Silvesterdebatte“ in den kommenden Jahren immer wieder hören dürften. Weil diese Debatte aber sehr negative Folgen für uns hat, sollten wir uns in den Diskurs einmischen und autoritäre und entpolitisierende Erklärungsmuster zurückweisen. Sie spaltet zwischen vermeintlich deutscher und nicht.deutscher Bevölkerung, lenkt ab von ökonomischen Widersprüchen und wird Anlass für antidemokratische und autoritäre Maßnahmen, wie Aufrüstung der Polizei, Demoverbote, Gefahrengebiete oder Verschärfung des Migrationsrechts. Letztlich zielt das auch auf uns als Linke.

Für uns wirken bei den Silvesterkrawallen mehrere soziale Krisen zusammen. Unsere Gesellschaft leidet immer noch an den sozialen Auswirkungen der Corona-Krise. Es ist allgemein bekannt, dass es Jugendliche besonders schwer hatten, weil wichtige Phasen des Aufwachsens durch die Lockdowns behindert wurden und häusliche Gewalt stiegen. Hier hilft vielleicht soziale Arbeit. Von den großen „Gipfeln gegen Jugendgewalt“ ist bis Dezember 2023 aber noch nichts in Neukölln angekommen. Im Gegenteil, sollen nun sogar soziale Einrichtungen geschlossen werden um Geld zu einzusparen! Berlin ist pleite, denn die Stadt leidet immer noch an den Folgen des Berliner Bankenskandals, den die CDU verbrochen hat!

Potentiert wurden die Coronafolgen durch Wohnungsnot. Besonders schwer traf und trifft die soziale Krise kinderreiche, arme, (post)migrantische Familien, die in überbelegten Wohnungen leben müssen und von steigenden Mieten, Nebenkosten und Verdrängungsdruck existentiell bedroht werden. Der große Teil der Beamtenschaft, der Journalist:innen und anderer Menschen mit Home-Office-Hintergrund haben mit diesen Armutsmilieus keinen Kontakt. Sie können und sie wollen sie nicht verstehen. Sie verstehen die daraus erwachsene Wut nicht. Trotzdem ist sie da und kommt irgendwo raus.

Wenn Politik und Wirtschaft dafür sorgen, dass Berlin immer mehr wird, wie London oder Paris, dann brauchen wir uns auch nicht wundern, wenn es hier knallt wie in London oder Paris!

Vermieter und andere Ausbeuter erzielen auf unsere Kosten immer höhere Profite. Dadurch, dass sie aber immer anonymer agieren, immer weniger gesellschaftliche Verantwortung übernehmen, und an völlig anderen Orten leben, bleiben kaum Gelegenheiten, wo Interessengegensätze entladen werden können. Das Ventil dafür ist derzeit für einige offensichtlich Silvester. Das Ziel sind Uniformierte als Symbole des Staates und der ungerechten Ordnung. Sie qualifizieren sich während des gesamten Jahres durch Racial Profiling, Razzien, Zwangsräumungen, rüde Ansprachen und Kontrollen, die ausbleibende Aufklärung rechter Straftaten und ähnliche gewaltvolle und diskriminierende Maßnahmen. Dass sie zur Zielscheibe werden, muss man nicht richtig finden und insbesondere Angriffe auf Rettungskräfte und Feuerwehr sind nicht zu rechtfertigen.  Man sollte dennoch versuchen, die Ursachen zu verstehen.

Sollte es irgendwann gelingen, Silvester zu befrieden, dann werden die Unruhen eben an anderen Tagen und Orten ausbrechen. Denn soziale Probleme können nur sozial gelöst werden, nicht durch immer größere Polizeiaufgebote. Es müssen also nicht die Wütenden, sondern die Ursachen bekämpft werden, z.B. die grassierende Armut und Wohnungsnot, sowie die fehlende Hoffnung aus diesen herauszukommen!

Die derzeitigen Verhältnisse auf dem Wohnungsmarkt sind der größte Faktor für die Verarmung weiter Teile der Unter- und Mittelschicht in Berlin. Und da hilft auch keine Sozialarbeit mehr! Da hilft nur eine deutliche Änderung in der Wohnungspolitik! Zum Beispiel mehr Kommunaler Wohnungsbau, Mietendeckel und Vergesellschaftung der Großkonzerne.

Darüber hinaus muss der Rassismus gegen die migrantischen Communities dringend bekämpft werden. Der ständige Wahlkampf auf Kosten der „Zu-wenig-Deutschen“ muss aufhören: Wir lassen uns nicht spalten!

Um dafür zu streiten, treffen wir uns immer am 2. Sonntag im Monat von 12-14 Uhr im Kiezladen Sonnenallee 154 für die Kiezversammlung44.

Und genau das wird uns die CDU natürlich nicht bringen. Stattdessen lenkt sie von den tieferliegenden Problemen in unserem Kiez ab. Warum sollte sie auch die Probleme lösen, wenn ihre Großspender von ihnen profitieren und sie gleichzeitig auf Kosten von Menschen, die eh keine CDU wählen würden, ihre Wahlkämpfe in den konservativen Stadtteilen gewinnen kann.

PS: Es gibt sicher gute Argumente für ein Böllerverbot – Lärm, Müll, Emissionen, Stress bei Mensch und Tieren und Brände – aber diese gelten nicht nur für Neukölln. Und das ist auch nicht die Motivation der Verbotspartei CDU, denn dann müsste das Böllerverbot für die ganze Stadt gelten und nicht nur für den „Brennpunkt Neukölln“. Deswegen bleiben wir in unserem Text bei unserem Kiez und bei den Themen, die in diesem Jahr wirklich zur Debatte stehen.