Räumung der Friedel 54: Beobachtungen und Stellungnahme

3. Juli 2017

Am Donnerstag, dem 29. Juni 2017, am Tag der angekündigten Räumung des Kiezladens in der Friedelstraße 54, waren einige Aktive aus der Kiezversammlung 44 als Beobachter und Ansprechpartner mit einem Infostand für die Nachbar*innen und die von der Räumung Betroffenen vor Ort und haben den ganzen Tag über die Situation hautnah miterlebt.

Am Vorabend wurden Filme zum Thema Verdrängung gezeigt. Viele Anwohner*innen aus dem Kiez und Menschen aus den umliegenden Kiezen waren gekommen und drückten dem Kiezladen ihre Solidarität aus.

Wir verurteilen das brutale polizeiliche Vorgehen bei der Räumung des Kiezladens F54!

Vor dem Gebäude gab es bereits seit den ersten Morgenstunden eine Sitzblockade von Personen, die die Räumung verhindern wollten. Die Stimmung war die einer ruhigen, disziplinierten und gewaltfreien Blockade.

Kurz darauf wurde Friedelstr. sowie die Lenaustr. durch die Polizei abgeriegelt. Gegen 8 Uhr erfolgte neben der Blockade vor dem Kiezladen eine weitere im Hinterhof.

Viele Anwesende hatten versucht, direkt mit den Beamten in ein konstruktives Gespräch zu kommen. Auch gab es viele produktive und angeregte Gespräche mit Anwohner*innen und vorbeikommenden interessierten Bürger*innen und Teilnehmer*innen – auch an unserem Infostand. Insgesamt herrschte ein friedvolles Miteinander. Bis auf vereinzelte Zwischenrufe konnten wir kein respektloses oder aggressives Verhalten gegenüber den eingesetzten Beamten beobachten. Im Gegensatz dazu mussten wir selbst miterleben, wie von der Polizei Würge- und Schmerzgriffe sowie Schläge gegen die auf dem Boden Sitzenden eingesetzt wurden. Wir erlebten an unserem Infostand weinende, unter Schock stehende und an Körper und Seele verletzte Menschen.

Zwangsräumungen, insbesondere von Wohnungen, sind in Berlin an der Tagesordnung. Im täglichen Durchschnitt müssen 20 Mieter*innen diese menschenunwürdige Erfahrung machen. Die Räumung des Kiezladens F54 traf dieses Mal ein Soziales Zentrum und hat eine Brutalität erreicht, die nicht hinnehmbar ist. Die Art des Vorgehens stellt eine unerhörte Zuspitzung bei der Durchsetzung einer Zwangsräumungen unter Amtshilfe der Berliner Polizei dar.

Wir können und möchten hier nicht zur Tagesordnung übergehen und können uns des Eindrucks nicht erwehren, dass hier ein Exempel statuiert werden sollte.

Das Recht auf Wohnen ist ein Grundrecht. Die Verdrängung von Menschen aus Ihren Nachbarschaften, auch die von alteingesessenen Gewerbetreibenden, kulturellen und subkulturellen Einrichtungen und Angeboten, darf nicht länger hingenommen werden. Unsere Kieze und unsere Stadt sollen vielfältig und bunt sein und bleiben. Durch den Ausverkauf an Investoren und die voranschreitende Gentrifizierung ist unsere soziale Vielfalt und unsere über viele Jahre gewachsene Gemeinschaft in Gefahr.

Wir, als auch Veranstalter von Kiezversammlungen in anliegenden Bezirken, erfahren täglich von Mietern, Gewerbetreibenden und Kultureinrichtungen, welche aus Ihren Wohnungen und Räumen gedrängt werden – mit Mitteln, welche oft am Rande der Legalität Ihren Platz finden. Wir erfahren Unsicherheit und Angst durch unverhältnismäßige Modernisierungen, Einschüchterungen und massive Mieterhöhungen.

Wir laden daher alle Bürger*innen, Mieter*innen, alle Menschen in dieser Stadt dazu ein, sich gegen Willkür, Verdrängung, Ausverkauf und Einschüchterungen zu engagieren und die Politik immer wieder an ihre Verpflichtung gegenüber der Stadt und ihren Bürger*innen zu erinnern.